ENDE DES K R I E G E S
DIE PFARRCHRONIK BERICHTET
KARWOCHE 1945
Am Samstag vor dem Palmsonntag kam die erste Einquartierung nach Oberkessach. Eine motorisierte Ausbildungsabteilung sollte von der Heidelberger Gegend hierher verlegt werden. Es gelang gerade noch, hier die Quartiere zu machen. Als der Haupttrupp am Montag nach dem Palmsonntag hier ankommen sollte, war die ganze Abteilung bereits über Künzelsau hinaus zurückverlegt worden und hier war nur noch Ort der Durchschleusung. Am Montag war für diese Truppe bereits Höchstalarm.
An ihrer Stelle kam zu Beginn der Karwoche hierher die Nachschubabteilung der Heeresgruppe G. Ein sonderbares Ding: Von hier aus sollten alle Autos und Züge an die Front dirigiert werden, wo doch zu Friedenszeiten kein Bahnhof und kein Verkehr war! In Friedenszeiten lagen wir "hinter dem Mond" und jetzt sollten wir die "Triebfeder" sein. Die Truppe wurde mit einem Luftangriff der "Jabo" (Jagdbomber) empfangen. Wir gingen zum ersten Mal in den Luftschutzkeller. Große Bombengeschwader über uns waren wir gewohnt – nach Schweinfurt – München - Heilbronn etc. sie taten uns aber nichts.
Am Karfreitag zog sich auch die Heeresgruppe-G-Nachschubabteilung zurück und es kam am Karsamstag in aller Frühe der Generalkommando-Stand der kämpfenden Truppe hierher. Sie hielten sich nur bis am Ostermorgen. An ihrer Stelle kamen einige S.S.-Männer die an Ostern den Pfarrer von Oberwittstadt ermordet hatten.
Am Ostermontag trat nochmals der hiesige "Volkssturm" in Funktion, um sich nach einer Feinderkundigung aufzulösen, was gut war.
Am Karsamstag war uns von der Kreisleitung zugemutet worden, wir sollten uns evakuieren aus Oberkessach, was aber niemand einfiel.
Am Osterdienstag kamen schon den ganzen Tag vereinzelnd deutsche Soldaten von der kämpfenden Front zurück: kläglich, müde, hungernd, ihr Gepäck auf alten Kinderwagen etc.
Am Dienstagabend und in der Nacht zog sich die ganze Kampflinie von Osterburken hierher zurück. Bis am Mittwochmorgen waren noch 6-8 Mann übrig mit 3 Panzerfäusten, die den Amerikaner hier empfangen oder gar aufhalten sollten. Ihr Befehl dauerte bis Mittwochabend 6.00 Uhr. Unverrichteter Sache zogen sie um diese Zeit ab und am Donnerstagmittag um 13.45 Uhr zogen die amerikanischen Panzer und mit ihnen die Amerikaner ein: 5.APRIL 1945 bis um 4.00 Uhr war der ganze Ort übergeben mit allen Waffen und Urlaubersoldaten. Von 6.00 Uhr war Ausgangssperre und alles Licht für die nächsten Wochen für uns Deutsche erloschen. Die Amis hatten eigene Strommaschinen.
Um 4.00 Uhr saßen auch bereits einige Amerikaner-Studenten der Musik auf unserer Kirchenorgel. Das Bitterste war wohl, dass die Hälfte bis Dreiviertel des Ortes ausquartiert wurde für die nächsten Wochen, weil die amerikanischen Soldaten ohne Deutsche in ihren Quartieren sein wollten. Es gab Stuben, in denen bis zu 20 deutsche Zivilisten die Nacht zubrachten.
Im Pfarrhaus waren 5 Haushalte mit 19 Personen für die nächste Zeit. Für den Pfarrer gab es allerhand Aufgaben, da er den Mittler -Friedens Mittler- zwischen der Gemeinde und der Besatzungsmacht spielen musste. Schuld daran waren zwar auch seine ganz geringen englischen Sprachkenntnisse, vor allem aber seine Stellung. Im Großen und Ganzen waren die sittlichen Verhältnisse auf beiden Seiten nicht allzu beklagenswert. Leider war im Ort noch zu viel Wein, den das deutsche Wirtschaftsamt zu spät zur Verteilung gebracht hatte, und zu viel Schnaps, den die Bauern hatten brennen lassen. Einige Nächte waren immer wieder von Hilferufen durchbrochen. Und in einer Nacht wurde von berauschten Amerikanern ein hiesiger Bürger -Alois Keilbach- in seinem Hause erschossen.
Leider waren auch zu viele Ausländer wie Polen und Russen mit zu vielen Freiheiten im Ort. Kein Ruhmeszeichen für die Polen wird es sein, dass sie in einer Nacht im Pfarrhauskeller eingebrochen haben, aber vom Pfarrer in ihrer Arbeit gestört wurden. Dagegen kamen die Amerikaner sofort auf den Hilferuf zu Hilfe gesprungen. An den Gottesdiensten, die regelmäßig gehalten wurden, nahmen auch die Amerikaner zahlreich teil, soweit sie keine eigenen Gottesdienste hatten. Die amerikanischen Heeresgeistlichen nahmen ganz brüderlich Beziehung mit dem Ortsgeistlichen auf.
Unter der Truppe waren auch sehr religiöse und äußerst anständige und hilfsbereite Soldaten.-Wer in diesen Tagen krank war, wurde von amerikanischen Ärzten und Soldaten wohl betreut. Für die Überbringung einer Patientin nach Heidelberg, konnten sie zwar kein Benzin stellen, gaben aber 2O Liter Benzin, um solches in Künzelsau zur Krankenfahrt abzuholen. Selbstverständlich wurde mit diesem Benzin die Patientin sofort nach Heidelberg gebracht.
Um Lebensmittel in das Gefangenenlager nach Heilbronn zu schaffen, besorgte ein Amerikaner dem Pfarrer nicht bloß die Rohölmarken in Künzelsau, sondern ganz von sich aus brachte er gleich das Rohöl in seinen Kanistern, und bezahlt, mit heim. Einzelne Soldaten machten auch gerne -wirklich anständig- Besuch in einzelnen Familien, auch im Pfarrhaus. Und als sie wieder in Amerika zu Hause waren, sandten sie sogar "Care-Pakete".
Erwähnt soll noch sein: da bis zum ersten Gottbekenntnistag am Dreifaltigkeitssonntag die Post noch nicht funktionierte, entwarfen wir das Programm für diesen Jugendtag selber und zogen nach langen Jahren zum. ersten Mal mit unseren Jugendbannern und Jugendliedern in öffentlicher Prozession zur Kapelle.